In den Jahren 1979-84 stand ich in losem Kontakt zu Johannes und Günter Welke. Aus diesen Kontakten erfuhr ich einiges über die Geschichte Zielenzigs. Unter anderem erwähnte Johannes Welke das vorliegende Manuskript. Mein Interesse wurde dadurch geweckt, und ich nahm mir vor, dieses zu veröffentlichen. Aus dem damaligen Briefwechsel erfährt man noch einiges über den Hintergrund des Schauspiels, deshalb folgen hier einige Zitate: 'Im Lebenslauf meines (Johannes Fiedler) Urgroßvaters Johann Leberecht Fiedler heißt es über die Drangsale: "Die Kriegsjahre 1812 bis 1815 brachten meinen Eltern schreckliche Bedrückung, da ihre Wohnung an der Haupt- und Heerstraße nach Rußland lag (Es handelt sich um den Bauernhof der Familie Fiedler auf dem Schützenberg, der bis zur Vertreibung 1945 von Fiedlers bewirtschaftet worden ist). Der schützenden Hand Gottes allein ist es zu danken, daß nicht Leib und Leben, Hab und Gut verloren gingen. In dieser Zeit täglicher Gefahr war es auch, als ein feindlicher Soldat meinen einzigen älteren Bruder an sein Roß band und ihn mit sich schleppte, vielleicht um Geld zu erpressen. Meine Mutter jammerte und flehte und hielt den Hinweggerissenen krampfhaft fest. Dabei erhielt sie von dem rauhen und rohen Krieger einen so heftigen Stoß, daß sie samt ihrem Kinde einen steilen ziemlich hohen Abhang hinunterrollte, jedoch ohne Schaden zu nehmen. Ihre Mutterliebe hatte den Sieg davongetragen. In dieser Zeit war es auch, daß infolge einer Ohrfeige, die ein städtischer Beamter einem französi- schen Offizier verabfolgte, meine Vaterstadt mit einer schrecklich hohen Kontribution belegt wurde. Bis in die neueste Zeit hinein hatten die Bürger zu tun, diese Schuldenlast zu tilgen." Der Verfasser des Theaterstückes war der Lehrer in Zielenzig, Adolf Brauer (* 30.6.1855 Meekow/+ 25.5.1922 Zielenzig oo Bertha Fiedler (siehe auch Foto Titelblatt)) . Das Theaterstück wurde zweimal mit dem Evangelischen Jünglingsverein, den Brauer leitete, im Keller des Rathauses von Zielenzig aufgeführt. Grundsätzlich gibt das Theaterstück wahre Begebenheiten wieder. Bis auf die Namen der Bauern scheinen sogar die Namen weitgehend zu stimmen. Günter Welke schreibt dazu: 'Die Wirklichkeitstreue geht so weit, daß sogar die Namen stimmen. Zwar kann ich es für den Stadtschreiber nicht belegen, dessen Name zu einem Wortspiel trefflich geeignet war, wie Sie lesen werden. Der Name des Viehjuden stimmt jedenfalls (... )' 'Andere Ereignisse aus trüben Tagen spielten in unserer Familie und sind von den Eltern mündlich, teilweise auch in Lebensläufen schriftlich überliefert. Dies trifft auch auf die Kanonen am Taubenberg zu.'
Für diesen 'Briefwechsel' habe ich als Absender der Briefe meinen Vorfahren Christian Friedrich Neumann aus Meekow/Kreis Ost-Sternberg angenommen. Christian Friedrich war Lehrer in diesem Ort. Meekow liegt wenige Kilometer von Zielenzig entfernt. Als Adressaten eine fiktive Person, die früher in Zielenzig wohnte. Alle im 'Briefwechsel' erwähnten Personen und Ereignisse sind historisch und unter ihrem eigenen Namen aufgeführt. Als Quelle für die Person des Rektors Ciecierski dienten Unterlagen des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem", die ich dort vor Jahren durchgearbeitet habe. Weitere Angaben stammen aus meiner Personenkartei, die ungefähr 10000 Einträge enthält. Das Schwergewicht der Daten dieser Kartei bezieht sich auf den Beginn des 19. Jahrhunderts und auf die Geschichte von Zielenzig und der näheren Umgebung dieses Ortes.. Neumann, Christian Friedrich * 1750 + 3.1.1824 Meekow Lehrer in Meekow oo Marie Elisabeth Berndt (1753-1830) Original Unterschrift von Rektor Ciecierski
In diesem Teil der Episoden geht es um die Situation an den Schulen von Zielenzig zwischen 1810 und 1816. Zielenzig war 1810 gerade aus der Vorherrschaft des Johanniter-Ordens mit Zentrum in Sonnenburg entlassen worden. Gleichzeitig wurde Zielenzig für die Jahre 1810 - 1850 Kreisstadt für den ganzen Kreis Sternberg. In dieser Zeit versucht die Stadt ihre neue Eigenständigkeit auch gegenüber der Regierung zu festigen. Immer wieder müssen die Stadtoberen von der Regierung in Königsberg bzw. in Frankfurt/0. gemassregelt werden, da sie bestehende Gesetzte zu frei auslegen. Diese Streitereien spiegeln sich schön in den folgenden Ereignissen wieder. Die Kirche war die absolute Autorität im Schulwesen. Daher wurde auch immer wieder verlangt, daß der zuständige Pfarrer bei den Neuwahlen von Lehrern anwesend war. Der große Teil des Unterrichts wurde auf dieser Stufe auch von Theologen oder wenigstens vom Küster erteilt. Die städtischen Behörden versuchen aber immer wieder, auch hier mehr Eigenständigkeit zu erlangen. Im ganzen Ausbildungssystem wurden die Elementarschulen sehr stark vernachlässigt. Es waren noch kaum ausgebildete Lehrer vorhanden. Meistens unterrichten Handwerker, die Freude an dieser Tätigkeit hatten. Häufig wurden auch ehemalige Soldaten für diesen Beruf eingesetzt. Es kam vor, daß die Lehrer nicht rechnen konnten oder nur mit Mühe fähig waren zu lesen. Erst mit der Ausbildung an den Seminaren besserte dies. In dieser Epoche gibt es in Zielenzig die Elementarschule mit 2 - 3 Klassen und die aufbauende Bürger- und Stadtschule mit 2 Klassen. In der Elementarschule unterrichten zu Beginn dieser Untersuchung die Lehrer Kunow (Mädchenklasse), Harnisch (Knabenklasse) und Meissner (Erteilt stundenweise in den Klassen Unterricht). Die Bürger- und Stadtschule wird vom Rektor (1810 Schmutter) geleitet, der auch unterrichtet. Daneben sind der Cantor (1810 Röse) und der Küster (= Baccalaurus) (1810 Pietschke) für den Unterricht verantwortlich.
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© GCA Christian Heilmann Kontakt: Heilmann AT GCA.CH / Letzte Änderung: 07.01.2008 |